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 01 Das brave Mütterchen

Ein altes bettlägeriges Mütterchen schaut dem fröhlichen Treiben der Bewohner auf dem zugefrorenen Bereich vor ihrem Haus am Deich zu. Als Fischerwitwe erkennt sie plötzlich dunkle schwarze Wolken am Horizont aufsteigen und weiß, dass ein Unwetter in kurzer Zeit über alle hereinbricht, die Eisdecke zerstört und alle in Lebensgefahr bringt. Alles Warnen und Rufen wird nicht gehört, weil alle auf dem Eis sind. Da rafft sie ihre Kraft zusammen, findet noch etwas Glut im Ofen und wirft es in das Stroh ihres Bettes . Es brennt augenblicklich und bald brennt das ganze Haus. Sie bringt sich draußen in Sicherheit. Alle auf dem Eis rennen in wilder Hast an den Deich in Richtung Feuer. Dann kommt der der Sturm, das Eis zerbricht, und auch der letzte erreicht das rettende Ufer. So rettet die Frau mit ihrem Hab und Gut die Bewohner.

02

Der Riese holt einen Baum

„Komm mit zu Holz“, sagte ein Riese zu einem Knecht, „wir wollen einen Baum holen.“ Der Knecht folgte, wunderte sich aber doch, da er sah, wie der Riese ohne Axt war. „Wie“, dachte er, „will der wohl einen Baum fällen?“ Als sie ins Holz kamen, ging der Riese zu dem größten Baum, der da war, fasste ihn oben an, wackelte ihn erst ein bisschen los und riss ihn dann mit der Wurzel heraus. „An welchem Ende willst du tragen?“ fragte er den Knecht. Der Knecht dachte, die Spitze trüge sich am leichtesten; er sagte also: „Hinten.“ Nun nahm der Riese den Baum bei der Wurzel auf die Schulter. Dann fragte er den Knecht: „Hast du schon angefasst?“ „Ja“, antwortete der, und der Riese ging mit dem Baum fort, obgleich der Knecht noch kein Blatt angerührt hatte. Und als der Knecht nun sah, wie leicht es dem Riesen ward, so setzte er sich sogar noch hintenauf. Der Riese aber trug ihn mit fort, ohne etwas zu merken. (Selk 5, Mü. 419)

03 Drachen / Der Flugdrache

Der Drache ist ein großes feuriges Tier mit einem Schweif von der Größe eines Bese- oder Windelbaumes. Bald zieht er hoch, bald ganz niedrig eben über der Erde hin und schlüpft mitunter in ein Haus. Wenn zwei Brüder, indem sie miteinander fahren, einen solchen Besuch sehen, und sie nehmen dann ein Wagenrad ab, stecken es aber verkehrt wieder auf und fahren weiter, so kann der Drache nicht wieder zurück,  und das Haus muss verbrennen. Wenn einer ihn niedrig und in dunkelrotem Feuer dahinziehen sieht, so muss er sich unter ein Dach stellen und den Hintern entblößen. Dann entsetzt er sich, platzt, und die schwere Geldladung, die er, wenn er so aussieht, immer mit sich führt, fällt heraus und macht den Finder zum reichen Mann. Er muss es ja nicht auf freiem Felde tun; denn dann bewirft ihn der Drache mit Unrat. Der Drache kommt zu den Leuten, die mit ihm in Verbund sind, gewöhnlich durch den Schornstein oder das Eulenloch.

04 Die schwarze Margret und die goldenen Fische / Die schwarze Greet

Zwei arme Fischer, die auf dem Schleswiger Holm wohnten, hatten die ganze Nacht vergeblich gearbeitet, und zogen zum letztenmal ihre Netze wieder leer herauf. Als sie nun traurig heimfahren wollten, erschien ihnen die schwarze Greet, die sich öfters den dortigen Fischern zeigt; sie kommt vom andern Ufer her, wo eine Stelle im Dannewerk in der Nähe von Haddebye nach ihr Margretenwerk heißt, und erscheint in königlicher Pracht mit Perlen und Diamanten geschmückt, aber immer im schwarzen Gewande - ganz so, wie sie früher auf dem Husumer Schloß im sogenannten Margretensaal zu schauen war. Die sprach zu den Fischern: »Legt eure Netze noch einmal aus, ihr werdet einen reichen Fang tun; den besten Fisch aber, den ihr fangt, müßt ihr wieder ins Wasser werfen.« - Sie versprachen es und taten, wie die Greet gesagt; der Fang war so überschwenglich groß, daß ihn der Kahn kaum fassen wollte. Einer der Fische aber hatte Goldmünzen statt der Schuppen, Flossen von Smaragd und auf der Nase Perlen. »Das ist der beste Fisch«, sprach der eine, und wollte ihn wieder ins Wasser setzen. Aber der andre wehrte ihm und versteckte den Fisch unter den übrigen Haufen, daß die Greet ihn nicht sähe; dann ruderte er hastig zu, denn ihm war bange. Ungern folgte ihm sein Gefährte. Aber wie sie so hinfuhren, fingen die Fische im Boote allmählich an zu blinken, wie Gold, denn der Goldfisch machte die übrigen auch golden. Und der Nachen ward immer schwerer und schwerer, und versank endlich in die Tiefe, in die er den bösen Gesellen mit hinabzog. Mit Not entkam der andre und erzählte die Geschichte den Holmer Fischern.

05 Segeberg und die Unterirdischen

Man sagt sich noch heute, der Segeberg, den der Düwel aus dem See geholt hat, sollte nicht nur die Kirche erschlagen haben, sondern eine Höhle verbergen.
Die Unterirdischen gruben sich durch den Kalkberg wieder frei, denn der Höhlenweg reichte zur Zeiten des Doggerlandes bis nach Helgoland und war auch ein Schmugglerweg.
Eine Helgoländer Saga beschreibt noch, wie das Donnergrollen der Helgoländer Nordsee-Brandung bis in den Segeberg zu hören war.Die Unterirdischen gruben sich vom Kalkberg bis zum Kalkberg, von Segeberg über Latendorf, zum Boostedter Kalkberg, nach Aukrug bis hin nach Helgoland.
Der Name Latendorf entstand durch den Kalkabbau/Bergbau, es verweisen noch viele Orte mit Straßennamen wie Kalkberg und Klint auf Bergbau der Steinzeit und die uralten Höhlenwege der Unterirdischen. Irgendwann fielen Teile des Höhlen-Tunnels aber zusammen und die Unterirdischen wurden nicht mehr gesehen.

06 Brüggemann

Sagen überliefert von Martinus Coronäus (Lateinschüler und Küster in Bordesholm, aufgeschrieben als Pastor in Flintbek um 1650

König Christian und Isabella in Bordesholm)

Anno 1523 im August kam nach Bordesholm König Christianus II., Hansens Sohn, Rex Daniae, Norwegiae et Sveciae mit seiner Gemahlin Isabella, des Königs von Hispanien Tochter und Caroli V. Schwester. Diese wollten samt ihren Gefährten den Altar besehen. Der König verwunderte sich über die Kunst, seine Gemahlin aber zeigt ihm die Bilder mit ihren Fingern. Als vorgemeldeter Hans Brüggemann, der Meister, solches siehet, so conterfeiet er den König und seine Gemahlin nach dem Leben und setzet sie auf Pfeiler, da sie noch heute stehen.

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Brüggemann und die Herren von Lübeck

Die Herren von Lübeck haben bey dem vorgemeldeten Meister Hans Brüggemann angehalten, dass er in ihrer Stadt einen solchen Altar machen möchte als zu Bordesholm, welches er dann zugesaget, ja einen besseren zu machen. Darauf haben die Mönche ihm alsobald Gift eingegeben, dass ihm stests die Augen gethränet, so dass er nicht mehr arbeiten können, bis er endlich bey Bordesholm zu Eyderstede gestorben. Ich habe noch seine Hand zu Bordesholm gehabt, die ich damals den Collegen gelassen.

08 Der rote Haubarg

An der Landstraße nicht weit von Witzwort steht ein großer schöner Hof, der rote Hauberg; der hat 99 Fenster. Vor Zeiten stand hier ein kleines elendes Haus und ein armer junger Mann wohnte darin, der in die Tochter des reichen Schmieds, seines Nachbarn gegenüber, verliebt war. Das Mädchen und die Mutter waren ihm auch gewogen; doch der Vater wollte nichts davon wissen, weil der Freier so arm war. In der Verzweiflung verschrieb er seine Seele dem Teufel, wenn er ihm in einer Nacht bis zum Hahnenschrei ein großes Haus bauen könnte. In der Nacht kam der Teufel, riss das alte Haus herunter und blitzschnell erhuben sich die neuen Mauern. Vor Angst konnte der junge Mann es nicht länger auf dem Bauplatze aushalten; er lief hinüber in des Schmieds Haus und weckte die Frauen, wagte aber nun nicht zu gestehen, was ihm fehle. Doch als die Mutter einmal zum Fenster hinaus sah und mit einem Male ein großes Haus erblickte, dessen Dach eben gerichtet ward, da musste er bekennen, dass er aus Liebe zu dem Mädchen seine Seele dem Teufel verschrieben habe, wenn er, ehe der Hahn krähe, mit dem Bau fertig würde. Schnell ging die Mutter in den Hühnerstall, schon waren neunundneunzig Fenster eingesetzt und nur noch das hundertste fehlte: da griff sie den Hahn, schüttelte ihn und er krähte laut. Da hatte der Teufel sein Spiel verloren und fuhr zum Fenster hinaus. Der Schmied aber gab seine Tochter nun dem jungen Mann, dessen Nachkommen noch auf dem Hauberge wohnen. Aber die hundertste Scheibe fehlt noch immer, und sooft man sie auch am Tage eingesetzt hat, so wird sie doch nachts wieder zerbrochen. (Mü. 478)

09 Der Basilisk

Wenn ein Hahn sieben oder, wie andere meinen, zwanzig Jahre alt wird, so legt er ein Ei, und aus diesem Ei kommt ein Tier, das ist der Basilisk. Alles Lebende, das er mit seinem Blicke trifft, muss sogleich sterben und Steine selbst zerspringen davor.

Es hat Leute gegeben, die ein solches Tier in einem dunklen Keller lange Jahre gehabt haben. Man durfte den Keller nicht öffnen, damit kein Licht hinein kam.

Wenn man aber dem Basilisken einen Spiegel vorhält und er sich selbst zu sehen bekommt, muss er sterben wie jedes Wesen.

10 Die Schlangenkönigin

Unter den Schlangen gibt es eine Königin, die eine goldene Krone trägt.Wer diese goldene Krone gewinnen kann, ist reich für sein ganzes Leben; denn diese Krone ist aus „nasswassen“ Gold gefertigt. Wer nur ein kleines Stück hat, kann immer etwas davon abnehmen; es wächst wieder nach. Die Schlangenkönigin kommt im Sommer nur ein einziges Mal in der Mittagsstunde eines heißen Tages ans Sonnenlicht. Sie ist eine verwünschte Prinzessin. Wer diese „kronsnak“ schlägt oder gar tötet, wird von den übrigen Schlangen verfolgt.​

11 Das Licht der treuen Schwester

An dem Ufer einer Hallig wohnte einsam in einer Hütte eine Jungfrau. Vater und Mutter waren gestorben und der Bruder war fern auf der See. Mit Sehnsucht im Herzen gedachte sie der Toten und des Abwesenden und harrte seiner Wiederkehr. Als der Bruder Abschied nahm, hatte sie ihm versprochen, allnächtlich ihre Lampe ans Fenster zu stellen, damit das Licht weithin über die See schimmernd, wenn er heimkehre, ihm sage, dass seine Schwester Elke noch lebe und seiner warte. Was sie versprochen, das hielt sie. An jedem Abend stellte sie die Lampe ans Fenster und schaute Tag und Nacht auf die See, ob nicht der Bruder käme. Es vergingen Monde, es vergingen Jahre und noch immer kam der Bruder nicht. Elke ward zur Greisin. Und immer saß sie noch am Fenster und schaute hinaus und an jedem Abend stellte sie die Lampe aus und wartete. Endlich war es einmal bei ihr dunkel und das gewohnte Licht erloschen. Da riefen die Nachbarn einander zu: „Der Bruder ist gekommen“, und eilten ins Haus der Schwester. Da saß sie da, tot uns starr ans Fenster gelehnt, als wenn sie noch hinausblickte, und neben ihr stand die erloschene Lampe.

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12 Drachenküken aus dem Ständerei

Der Drache vermehrt sich durch Eier, die den Hühnereiern ähnlich sind. Er legt sie in geheime Winkel des Hauses, besonders in die Ständerlöcher; daher heißen sie auch Ständereier. Zum Ausbrüten gelangen sie, wenn das Haus in Flammen aufgeht. Unsern Alten war aber das Haus sehr teuer, und sie legten darum verkrüppelte Hühnereier in die Ständerlöcher oder unter den „Oken“ (den Dachwinkel). Findet nämlich der Drache die Ständerlöcher und den Oken schon belegt, so ist für ihn kein Raum in dem Hause, und man ist dann gegen Feuersgefahr gesichert, besonders gegen Blitzschlag.

​15 Die Überfahrt der Unterirdischen von Sylt nach Amrum

Sage: Die Unterirdischen (friesisch: onerbäänkin) sind ein Zwergenvolk, auch Pukleute oder Puks genannt. Als gute Hausgeister lebten sie einst in Hörnum auf Sylt. Dort halfen sie, wenn man sich gut mit ihnen stellte. Auch trieben sie manchen Schabernack, doch man bekam sie selten zu Gesicht, denn ihre Tarnkappen machten sie unsichtbar.  Eines Tages kam es zum Streit zwischen dem Zwergenvolk von König Finn und ihrem eigenen unter Nis Puk. So beschlossen die Zwerge, Sylt zu verlassen und nach Amrum überzusetzen. Mit Hilfe eines armen Fährmanns aus Hörnum setzten sie in einer stürmischen Nacht nach Norddorf über. Die Wolken flogen, nur ab und zu fand der Mond eine Lücke und warf sein gespenstisches Licht auf die weißen Dünen. Dem Schiffer wurde unheimlich zumute, und er lehnte die Überfahrt bei diesem Wetter ab. Eine unsichtbare Stimme aber drängte und versprach: "Fahr nur, mit uns sinkt dein Boot nicht!" Als der der Fährmann fragte, wie viele Unterirdische es seien, antwortete die Stimme, dass er reich belohnt würde und für jeden von ihnen eine Münze bekommen sollte. So willigte der Schiffer schließlich ein. Dreimal hörte es der Fährmann rascheln und trappeln, dreimal musste der Schiffer nach Amrum segeln. Jedesmal verschwanden die Unterirdischen wortlos in die Nacht, und der Schiffer fuhr im Morgengrauen zurück.

Als dieser den Hut abnahm, war dieser plötzlich mit Goldmünzen gefüllt. Von Stund an konnte er ein sorgenfreies Leben führen. Der Fährmann staunte, wie viele Unterirdische es auf Sylt gegeben hatte. Vielleicht triffst du heute den einen oder anderen "onerbäänkin", wenn du genauer hinschaust und hinhörst...

16 Wilder Zwergengeist / Ekke Nekkepen

Die Zwerge mögen die Frauen der Menschen besonders gerne leiden. Einer verliebte sich einmal in ein Mädchen aus Rantum und verlobte sich mir ihr. Sie besann sich aber nach einiger Zeit anders und sagte ihm den Kauf auf. Da sagte der Kleine: "Ich will dich schon lehren Wort halten; nur wenn du mir sagen kannst, wie ich heiße, sollst du frei sein". Nun fragte sie überall herum nach dem Namen des Zwerges; aber niemand wusste es ihr zu sagen. Traurig ging sie umher und suchte die einsamsten Orte, je näher die Zeit kam, dass der Zwerg sie holen wollte; da kam sie endlich bei einem Hügel vorbei und hörte diesen Gesang:

Delling skell ik bruw,

Maeren skell ik baak,

Aurmearn skell ik Bröllep haa:

Ik jit Ekke Nekkepenn,

Min Brid es Inge fan Raantem,

En dit weet nemmen üs ik allining.

Als der Zwerg nun am dritten Tage kam, um sie zu holen, und fragte, wie er heiße, da sagte sie: "Du heißt Ekke Nekkepenn!" Da verschwand der Zwerg und kam nimmer wieder.

19 Nis Puk

Den Unterirdischen ähnlich ist der besonders im Schleswigschen, weniger im Holsteinischen bekannte Nis Puk. Er wohnt aber vereinzelt nicht in Gruppen in den Häuser, Scheunen und Ställen der Menschen. Er ist also ein rechter Hausgeist. In finstern, verborgenen Winkeln richtet er seine Wohnung ein.

Nis Puk ist ein kleines Kerlchen - so groß etwa wie ein dreijähriges Kind. Er ist aber breit und untersetzt und von übermenschlicher Körperkraft. Die Arme sind lang, die krummen Beine kurz und dünn; der Kopf ist verhältnismäßig groß, der Mund breit, das Gesicht von einem struppigen Bart umrahmt; die Augen sind groß und blicken scharf und klug umher.

Nis Puk ist ein launischer, eitler Bursche und leicht beleidigt und erzürnt. Er rächt sich dann durch allerlei Schabernack oder gibt seinen Unmut durch hinterlistige und boshafte Streiche zu erkennen. Behandelt man ihn aber seiner Würde gemäß, so bleibt er gutmütig und bringt dem Hause Segen und Wohlstand.

Wohnt darum ein Nis Puk im Hause, so muss man mit ihm gut Freund bleiben. Er will, dass ihm täglich ein Napf mit süßer Grütze oder Milch an einen bestimmten Ort gestellt wird. Butter isst er besonders gerne; einen Klumpen davon muss man immer in seinen Brei hineintun.

(nach: Gustav Friedrich Meyer)

21 Die Hexen von Wilster

In Wilster gab es ehedem viele Hexen und böse Leute; das ist aber schon lange her. Die Großmutter meiner Großmutter hat es dieser als Kind erzählt und die Geschichte immer so angefangen: „Dat weer all lang voer mien Tied."  Es war in Wilster ein junger Mann, ein Sonntagskind, der die Hexen vorzüglich sehen und kennen konnte. Eines Tages war er auf einem Platz in der Stadt, wo eine Menge Bauholz gelagert war, vor einem alten Hause und schimpfte zum Giebelfenster hinauf: „Wat sittst du dar all wedder un spinnst, du ole verfluchte Hex?“ Da rief die Hexe herunter: „Sönken, Sönken, laat mi doch mien Faden spinnen!“ und augenblicklich saß der junge Mensch unter dem Bauholz, wo die Leute ihn mit Mühe hervorzogen. In einer Nacht ward derselbe junge Mann durch einen fürchterlichen Lärm aus dem Schlafe geweckt. Gleich musste er aus den Federn, und da sah er einen ewig langen Zug von Weibern auf Besenstielen und Ofengabeln reiten, die mit Feuerzangen an blanke Kessel schlugen, und so ging’s fort; er musste hinterdrein. Als sie auf den Kreuzweg kamen, hielten sie einen großen Tanz, er musste mit allen im Kreise tanzen. Auch hatten sie einen großen silbernen Becher; der ging von Hand zu Hand, und sie tranken dem jungen Mann daraus zu und hielten einen Ringeltanz um ihn. Aber gerade als er den Becher in die Hand bekam, schlug die Uhr eins, die Hexen verschwanden im Nu, und er blieb allein nach mit dem Becher in der Hand. Als er sich besonnen hatte und den Becher betrachtete, fand er die Namen aller Hexen darauf eingraviert; obenan stand die Frau Bürgermeisterin. Da ging er am andern Morgen zum Bürgermeister und meldete ihm alles, wie schändlich es in der Stadt hergehe und dass seine Frau eine Hexe sei. Da gab ihm der Bürgermeister viel Geld, damit er nicht weiter davon rede.Zu dieser Zeit stand die Stadt noch nicht, wo sie jetzt steht, sondern weiter nach Norden zu an einem Arm der der Wilsterau, der die „Alte Wilster“ heißt. Die Leute taten alles, um die Hexen auszurotten und ihrer los zu werden. Als sie aber sich daran machten, die mächtigste und bedeutendste unter ihnen zu vertreiben, versank plötzlich an einem Sonntagvormittag während der Kirchzeit die ganze Stadt, so dass nur die oberste Spitze des Kirchturmes sichtbar blieb. Vor fünfzig Jahren konnte man diese noch immer sehen, und nachts um zwölf hat man die Hexen darauf tanzen sehen und gehört, wie sie jubelten und frohlockten über den Sieg, den sie über ihre Gegner errungen hatten.

22  Die schwarze Margret und die goldenen Fische / Die schwarze Greet

Zwei arme Fischer, die auf dem Schleswiger Holm wohnten, hatten die ganze Nacht vergeblich gearbeitet, und zogen zum letztenmal ihre Netze wieder leer herauf. Als sie nun traurig heimfahren wollten, erschien ihnen die schwarze Greet, die sich öfters den dortigen Fischern zeigt; sie kommt vom andern Ufer her, wo eine Stelle im Dannewerk in der Nähe von Haddebye nach ihr Margretenwerk heißt, und erscheint in königlicher Pracht mit Perlen und Diamanten geschmückt, aber immer im schwarzen Gewande - ganz so, wie sie früher auf dem Husumer Schloß im sogenannten Margretensaal zu schauen war. Die sprach zu den Fischern: »Legt eure Netze noch einmal aus, ihr werdet einen reichen Fang tun; den besten Fisch aber, den ihr fangt, müßt ihr wieder ins Wasser werfen.« - Sie versprachen es und taten, wie die Greet gesagt; der Fang war so überschwenglich groß, daß ihn der Kahn kaum fassen wollte. Einer der Fische aber hatte Goldmünzen statt der Schuppen, Flossen von Smaragd und auf der Nase Perlen. »Das ist der beste Fisch«, sprach der eine, und wollte ihn wieder ins Wasser setzen. Aber der andre wehrte ihm und versteckte den Fisch unter den übrigen Haufen, daß die Greet ihn nicht sähe; dann ruderte er hastig zu, denn ihm war bange. Ungern folgte ihm sein Gefährte. Aber wie sie so hinfuhren, fingen die Fische im Boote allmählich an zu blinken, wie Gold, denn der Goldfisch machte die übrigen auch golden. Und der Nachen ward immer schwerer und schwerer, und versank endlich in die Tiefe, in die er den bösen Gesellen mit hinabzog. Mit Not entkam der andre und erzählte die Geschichte den Holmer Fischern.

23 Der Tisch der Unterirdischen

Am Wege von Kiel nach der Probstei haben auf dem Berge lange Zeit, wenn die Sonne recht warm schien, die Unterirdischen ihr Mittagsmahl gehalten. Kamen dann Leute ruhig und bescheiden heran, so war für sie ein Teller und eine silberne Gabel bereit, und sie konnten aus der großen Schüssel nehmen, soviel sie nur mochten. Einmal nahm ein Junge die Gabel heimlich auf. Da kamen die

Unterirdischen nicht wieder. Die Leute wunderten sich und fragten den Jungen, der zuletzt von ihrem Tische gegessen hatte. Er gestand und musste die Gabel wieder nach dem Berge zurückbringen. Als er herankam, schob sich der Tisch mit dem Teller aus der Erde heraus. Er legte die silberne Gabel auf den Teller, und sogleich verschwand der Tisch in der Erde. Seitdem hat dort keiner die Unterirdischen wieder gesehen.

25 Der geliehene Kessel

Unmittelbar neben Geltorf, Kirchspiel Haddeby bei Schleswig, liegt ein Berg, der Hochberg, und dicht daneben, der Breehochberg. Darin wohnen die Unterirdischen. Wenn Hochzeit im Dorfe war und wenn dann Kessel, Pfannen, Töpfe und dergleichen gebraucht wurden, so gingen die Bauern an den Berg und klopften an. „Was wollt ihr?“ fragten dann die Unterirdischen. „Wir wollen Kessel bei euch leihen; denn morgen soll Hochzeit bei uns sein von Hans und Trina.“ „Wie groß sollen die Kessel sein?“ fragten nun wieder die Unterirdischen, und die Bauern konnten dann am anderen Morgen Kessel und Geschirr abholen. Dafür gaben sie dann zum Dank die Überbleibsel der Speisen und setzten damit die Kessel wieder vor den Berg. Ein übermütiger Bauer tat aber einmal etwas anderes hinein, und seitdem leihen die Unterirdischen ihre Kessel nicht mehr aus.

26 „Tarnkappen der Unterirdischen" (siehe Sage Objekt 1)

Die Unterirdischen verfügen über die wunderlichsten Tarnkappen. Man kann nie wissen, ob man ihnen nicht plötzlich begegnet...

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27 Das Riesenschiff Mannigfual

Die nordfriesischen Seefahrer erzählen von einem Riesenschiff, de Mannigfual. Das ist so groß, daß der Kommandant immer zu Pferde auf dem Verdeck herumreitet, um seine Befehle zu erteilen. Die Matrosen, die jung in die Takelage hinaufklettern, kommen bejahrt, mit grauem Bart und Haar, wieder herunter; unterdes kehren sie fleißig in die Blöcke des Tauwerks, in denen Wirtsstuben sind, ein.

Einmal steuerte das Ungeheuer aus dem Atlantischen Meere in den britischen Kanal hinein, konnte jedoch zwischen Dover und Calais des schmalen Fahrwasser wegen nicht durchkommen. Da hatte der Kapitän den glücklichen Einfall, die ganze Backbordseite, die gegen die Ufer von Dover stieß, mit weißer Seife bestreichen zu lassen. Das half. Der Mannigfual drängte sich glücklich hindurch und gelangte in die Nordsee. Die Felsen bei Dover behielten aber bis auf den heutigen Tag von der abgescheuerten Seife die helle Farbe.

28 Die gelbe Blume

König Abels Schloss in Schleswig, wo der Verrat an seinem Bruder Erich geschah, ist spurlos verschwunden. Doch findet man auf dem Möwenberg unter dem Grase noch alte Kellermauern; hier liegen seine Schätze. Man hat da nachts Lichter und Flämmchen erblickt, und Schatzgräber haben da oft ihr Glück versucht. Aber niemand ist noch zu den großen Schätzen gekommen.

Einmal aber in einer Nacht ging ein Mann an der Schlei herauf, und wie er aufblickte, sah er auf dem Möwenberg ein helles Leuchten. Neugierig und erstaunt über das Wunder, folgte er dem Scheine. Er merkte endlich gar nicht, dass er über das Wasser ging und dass es unter seinen Füßen wie Eis hielt. Das Leuchten wurde immer heller und heller, bis er vor einem nie gesehenen großen Schlosse stand. In dem Schlosshof aber sah er eine wunderbare gelbe Blume, die vor allem leuchtete und den Glanz verbreitete. Er brach sie ab und ging damit näher zum Schlosse. Erst ging er rundherum, dann trat er ein. In dem Schlosse aber fand er alle Türen verschlossen; sobald er aber die Blume daran hielt, sprangen sie auf. Er ging so durch alle Gemächer; eines war immer herrlicher als das andere. In dem letzten fand er endlich ein prächtiges Mahl angerichtet, und nachdem er sich niedergesetzt und nach Herzenslust gegessen und getrunken hatte, stand er auf und wollte wieder gehen. Da rief ihm eine Stimme zu: „Vergiss das Beste nicht!“ Er sah sich um und erblickte niemand. Unter all den Kostbarkeiten aber, die auf dem Tische standen, deuchte ihm nichts schöner als ein großer silberner Becher von gar künstlicher Arbeit. Da rief es zum zweiten Male: „Vergiss das Beste nicht!“ Aber er langte nach dem Becher und wollte fortgehen. Da rief es zum dritten Male: „Vegiss das Beste nicht!“ Er sah sich noch einmal im Saale um; aber da er nichts Schöneres fand, behielt er den Becher und ging damit über das Wasser nach der Stadt zu. Als er nun auf dem Lande sich umwandte, waren das Schloss und alle seine Herrlichkeiten verschwunden, und nie hatte er es wieder gesehen. Erst nach hundert Jahren blüht in einer Nacht die gelbe Blume wieder, und ein glücklicher kann das Schloss erreichen und öffnen. Den Becher aber behielt der Mann, und der ist nachher in die Silberkammer auf Gottorf gekommen, wo alte Leute ihn noch gesehen haben. Die Sachen sind dann alle nach Kopenhagen gebracht worden.

29 Lügenbrücke

Der Name der Brücke geht auf eine Legende zurück, die vor allem bei den Alteingesessenen bekannt ist. Danach wurde Kindern gedroht, die Brücke würde bei dem Darübergehen zerbrechen, wenn sie zuvor gelogen hätten.

31 Das Klabautermännchen

Ein Schiff machte einst eine lange Reise und befand sich mitten auf der See. Die Mannschaft hatte ihre gewohnte Arbeit und der Kapitän war in der Kajüte. Plötzlich kam er an Deck und rief dem Schiffsjungen zu: „Bringe mir eine Flasche Wein und zwei Gläser!“ - „Zwei Gläser, Kapitän?“ fragte verwundert der Junge. „ Ihr seid ja allein. Wie kriegt ihr denn Besuch?“ Der Kapitän befahl ihm zu gehen und zu tun, wie er geheißen. Als der Junge nun wieder mit der Flasche und den Gläsern in die Kajüte trat, da saß der Schiffsgeist bei dem Kapitän, und beide sprachen miteinander. Der Kapitän schenkte ihm ein und sie tranken zusammen. Solange nämlich ein solcher Schiffsgeist auf dem Schiffe und gut Freund mit der Mannschaft ist, geht das Schiff nicht unter, und jede Fahrt gelingt; verlässt er es, so steht es schlimm.

32 Der Dikjendälmann

In der Gegend des alten Eidums auf Sylt liegt das Dünental Dikjendäl. Hier strandete einst in einer Sturmnacht (man sagt in der Christnacht des Jahres 1713) ein in Achsum wohnender Fischer. Mit großer Gefahr und Mühe rettete er sich und seinen Geldkasten auf den heimatlichen Strand und hoffte einen menschenfreundlichen Landsmann zu finden, der sich seiner annehmen, ihn erquicken und zu den seinigen führen würde. Doch raubgierige Strandläufer hatten seine Ankunft und seinen Geldkasten bemerkt und, statt sich seiner anzunehmen, fielen sie mitleidlos über ihn her, schlugen ihn mit ihren Knitteln zu Boden und verscharrten ihn in den Sand. Noch einmal richtete sich der Sterbende wieder empor, doch die Unmenschen traten mit Gewalt den Kopf des Unglücklichen in den weichen Grund, hieben seinem stets wieder aufstrebendem rechten Arm die Hand ab und schleppten den Geldkasten davon. Seit der Zeit wandert, den blutigen Stumpf des abgehauenen Arms emporrichtend und Gerechtigkeit fordernd, allnächtlich in jenem Dünentale, wo der Mord geschah, ein Gespenst umher, das nach dem berüchtigten Tale der Dikjendälmann genannt wird.

33 Vom Kampf zwischen Wasser und Land

In ganz alten Zeiten sollen die Insel Fehmarn und das Land Oldenburg ein Land gewesen sein. Mitten darin, wo heute der Sund ist, wohnte die Königin des Landes. Sie war eine Riesenfrau, und ihr Haus stand mitten in einem großen Wald. Als die Königin sterben sollte, ließ sie ihre beiden Söhne zu sich kommen und sprach: „Ich will meinen ganzen Besitz unter euch teilen, der eine soll das Land, der andere das Meer haben. Damit ihr euch beim Teilen aber nicht erzürnt, sollt ihr darum losen.“ Der älteste Sohn bekam das Land, der jüngste das Meer. Zufrieden aber waren sie mit dieser Lösung nicht. Der jüngste glaubte, das Land mit all

seinen Städten, Dörfern, Menschen, mit all seinem Korn und Vieh sei besser als das Meer. Der älteste aber meinte, sein Bruder habe das bessere Los gezogen, das Meer mit all seinen Schiffen und Fischen sei wertvoller als sein Land. Jeder glaubte er sei betrogen, und sie wurden einander spinnefeind. Nun ging quer durch das Land ein breites Wasser, das aber nur flach war. Da sprach der König des Landes zu seinen Leuten: „Das Wasser da, so mitten in meinem Land, ist mir im Wege. Wir wollen seine Eingänge verstopfen, auf daß alles Land werde.“ Und so geschah es. Aber darum brach offene Feindschaft aus zwischen den beiden Brüdern. Der König des Landes warf gewaltige Steine in Meer, daß viele Schiffe untergingen und viele Fische starben. Der König der See rührte das Meer auf, daß die Wellen gegen die Ufer stürmten und weit über das Land spritzten. Sie bissen große Stücke aus dem Ufer heraus, dass viele Menschen und Vieh verdarben. Der Streit ging hin und her, Tag und Nacht, Jahr um Jahr. Am meisten stritten die Brüder um den Wald, in dem die Mutter gewohnt hatte. Der Landkönig hatte der Mutter Schloß bezogen, weil er meinte, daß es ihm als Ältesten zustehe. Als das Wasser nun seine alten Weg versperrt fand, fing es an einer anderen Stelle an zu drücken und zu drängen. Der König der See stürmte mit voller Wucht gegen den Wald und das Haus seines Bruders. Er peitschte die See hochauf, daß die Wellen sich über das Land wälzten. Wald und Schloß gingen unter, der Landkönig selbst mußte ertrinken und mit ihm viele seiner Leute. Der König der See war Sieger; aber er konnte keine Ruhe finden, weil er seinen Bruder umgebracht hatte. Unter dem Sande von Grönwohld, mitten im Sunde, da wohnt er. Wenn ihn das Gewissen plagt, dann wird er unruhig; dann tobt das Wasser, daß die Wellen gegen das Ufer branden.

​34 Überfahrt der Unterirdischen,

In den Hüttener Bergen wohnten vor Zeiten eine große Menge Unterirdische. In dem Kinderberg hat man sie besonders häufig gehört, wie sie butterten, und im Plettenberg bei Wittensee, wie sie miteinander fortzogen. Da zogen sie nach der Marsch zu und kamen in der Nacht an die Hohner Fähre und wollten sich übersetzen lassen.Sie weckten den Fährmann. Als der aber herauskam, sah er nichts; er ging wieder ins Haus und wollte Bett. Da klopften sie noch einmal und dann zum dritten Male an, und als der Fährmann nun wieder herauskam, sah er, wie es vor dem Hause grimmelte und wimmelte von lauter kleinen, grauen Leuten. Da war da einer unter ihnen mit einem langen Bart, der sagte zum Fährmann, er sollte sie über die Eider setzen; sie könnten die Glocken und den Kirchengesang nicht länger ertragen und wollten anderswo hin. Der Fährmann machte die Fähre los und stellte seinen Hut ans Ufer. Und nun kamen sie alle in den Prahm herein, Männer und Weiber und Kinder, und zwar so viel, dass sie sich drängten und der Prahm zum Sinken voll ward. So ging es jedesmal, wenn der Fährmann wieder zurückkam. Er hatte die ganze Nacht nichts anderes zu tun , als immer hin und her zu fahren, und immer war die Fähre gleich voll. Als er endlich die letzten hinüber gebracht hatte, sah er, wie das ganze Feld auf der anderen Seite von vielen Lichtern flimmerte, die immer durcheinander hüpften; da hatten sie alle kleine Laternen angesteckt. Am Ufer aber vor seinem Hause fand er seinen Hut ganz gehäuft voll von kleinen Goldpfennigen; denn jeder hatte beim Einsteigen einen hineingeworfen. Dadurch ward der Fährmann Zeit seines Lebens ein steinreicher Mann.

35 Die schwarze Margret und die goldenen Fische / Die schwarze Greet

Zwei arme Fischer, die auf dem Schleswiger Holm wohnten, hatten die ganze Nacht vergeblich gearbeitet, und zogen zum letztenmal ihre Netze wieder leer herauf. Als sie nun traurig heimfahren wollten, erschien ihnen die schwarze Greet, die sich öfters den dortigen Fischern zeigt; sie kommt vom andern Ufer her, wo eine Stelle im Dannewerk in der Nähe von Haddebye nach ihr Margretenwerk heißt, und erscheint in königlicher Pracht mit Perlen und Diamanten geschmückt, aber immer im schwarzen Gewande - ganz so, wie sie früher auf dem Husumer Schloß im sogenannten Margretensaal zu schauen war. Die sprach zu den Fischern: »Legt eure Netze noch einmal aus, ihr werdet einen reichen Fang tun; den besten Fisch aber, den ihr fangt, müßt ihr wieder ins Wasser werfen.« - Sie versprachen es und taten, wie die Greet gesagt; der Fang war so überschwenglich groß, daß ihn der Kahn kaum fassen wollte. Einer der Fische aber hatte Goldmünzen statt der Schuppen, Flossen von Smaragd und auf der Nase Perlen. »Das ist der beste Fisch«, sprach der eine, und wollte ihn wieder ins Wasser setzen. Aber der andre wehrte ihm und versteckte den Fisch unter den übrigen Haufen, daß die Greet ihn nicht sähe; dann ruderte er hastig zu, denn ihm war bange. Ungern folgte ihm sein Gefährte. Aber wie sie so hinfuhren, fingen die Fische im Boote allmählich an zu blinken, wie Gold, denn der Goldfisch machte die übrigen auch golden. Und der Nachen ward immer schwerer und schwerer, und versank endlich in die Tiefe, in die er den bösen Gesellen mit hinabzog. Mit Not entkam der andre und erzählte die Geschichte den Holmer Fischern.

36  "Porträts der Unsichtbaren"

An manchen Tagen zeigen sich die "Unsichtbaren", wenn sich zufällig eine Spinnwebe von einem Puk in deinen Haaren verfängt...

37 Das verbotene Buch

In alten Legenden und Sagen wird oft von verbotenen Büchern berichtet, die mit dunklen Kräften und geheimem Wissen verbunden sind. Diese Bücher werden oft als gefährlich angesehen und sollen vor den Augen der Menschen verborgen bleiben. Einige Geschichten erzählen von Büchern, die mit Flüchen versehen sind und nur Unheil bringen, wenn sie gelesen werden. Andere erzählen von Büchern, die magische Kräfte besitzen und nur von auserwählten Personen gelesen werden können, um ihr Wissen zu erlangen.

Es wird gesagt, dass einige dieser verbotenen Bücher in geheimen Kammern oder unterirdischen Verliesen vergraben oder angekettet wurden, um sie vor neugierigen Blicken zu schützen. Diejenigen, die es wagen, diese Bücher zu finden und zu lesen, riskieren oft ihr Leben oder bringen Unheil über sich und ihre Umgebung.

38 Vicelin

Vizelins Gebeine werden nach Bordesholm überführt

Als man die Ossa (Knochen) und Reliquias des H. Vicelini nach Bordesholm transferieren wollen, ist bey Mühebroock nahe bey Bordesholm der Wagen mit den Rädern eingesunken, also, dass man ihn mit vielen Pferden nicht wieder daraus führen können. Da haben die Mönche alle Heiligen angerufen, dass sie wieder möchten fortkommen, worauf eine Stimme aus dem Grabe gekommen, die gesagt: Sie sollten vor dem Kloster ein Armenhaus setzen, nach der Westseite und darin 12 Arme halten.

Darauf haben sie solches zu thun angelobet und ist also der Wagen wieder von Stabten gegangen, das Dorf aber, dabey dies geschehen, ist von den Mönchen gebauet und Mühe- oder Müdebroock genennet worden, darum dass sie daselbst mit den Gebeinen Viceline vermüdet sind.

39 Nixen

Ein Mann aus Stocksee hat mal Reet geschnitten auf der Insel im See. Er hielt sich abends ein wenig zu lange auf. Und als er nach Hause wollte, es war neblig, da verwirrte er sich. Er fuhr auf dem See immer im Kreis herum und kam immer wieder zu der Insel zurück.
Da fing er an zu schreien, und die Leute im Dorf hörten ihn. Sie liefen ans Ufer vom See und riefen ihn. Er konnte aber nicht gut hören. Ein Bauer nahm seine Flinte und schoss. Sie kamen auch mit Lichtern. Das alles aber half nicht, sie verwirrten ihn noch mehr.
Da fuhren sie mit einem Kahn zu ihm hinüber. Da lag er in seinem Kahn, ganz nass vor Schweiß. Die Nixen haben ihn ins Wasser ziehen wollen, sagte er. Er hatte sich aber steif gemacht und war immer wieder zurückgefahren. Zum Schluss konnte er nicht mehr, da hatte er sich in den Kahn niedergelegt, dass sie ihn nicht mehr sehen konnten.
Er ließ es sich nicht ausreden: „Lass sie reden, was sie wollen,“ sagte er, „ich habe sie dort gesehen im Wasser, ich hab es erlebt.“

40 Irrlichter - Wassergeist

K.Pr. ut Stocksee is mal na de Insel röwer föhrt to´n Reet snieden. He hett ni good hören kunnt. He töwt abens ´n beten lang, dat is ook newelig weß, un as he wegföhrt, kiekt he ümmer na Stocksee röwer, na de Lichten; dar föhrt he op to.
Awer immer, wenn he meent, he is an de Kant, denn kamt de bösen Geister un smiet em trüch na de Insel. He fangt an to schriegen u nto bölken, se schüllt em helpen. Se kriegt dat ock klook in´t Dörp un gaht hendal mit Lüchten; een Buur nimmt sien Flint mit un schütt, un se ropt: „K., kumm hierher!“
Dat hett awer all ni holpen. Ümmer, wenn he dicht an de Kant ran kümmt, rodert he wedder trüch na de Insel, un se künnt em ni an Land kriegen. Do gaht twee Mann hen na den Fischer un halt den Kahn un nehmt ock´n Lücht

mit. As se awer na K. ranrodert, ward he ganz un gar verrückt. Se möt mit Gewalt sein Kahn achter ehrn anbinnen, un as se do an de Kant kamt, is he so opgeregt wes, se hebbt em ut´n Kahn halen müßt, he hett ni stahn künnt.
He is naher in sien Leben ni wedder na´t Water ropföhrt. Dat weern Irrlichter wess, sä he, de harrn em trüchreten, he harr dar nix gegen maken kunnt. Dat is eers vör´n paar Jahr passeert.

 

K.Pr. aus Stocksee ist mal zur Insel rübergefahren, um Reet zu schneiden. Er konnte nicht mehr so gut hören. Er wartete abends ein wenig zu lange, es war auch neblig gewesen, und als er losfuhr schaute er immer nach Stocksee rüber zu den Lichtern. Da fuhr er drauf zu. Aber immer, wenn er meinte, er wäre am Ufer, dann kamen die bösen Geister und schmissen ihn wieder zur Insel zurück. Er fing an zu schreien und zu toben, dass man ihm helfen solle. Sie bekamen das auch mit im Dorf und gingen mit Lichtern hinunter. Ein Bauer nahm seine Flinte mit und schoss. Und sie riefen: „K., komm hierher!“Das hatte aber alles nichts geholfen. Immer, wenn er dicht ans Ufer kam, ruderte er wieder zurück zur Insel. Und sie konnten ihn nicht ans Land holen. Da gingen zwei Mann zum Fischer und holten seinen Kahn, sie nahmen auch Licht mit. Als sie aber zu K. heranruderten, wurde dieser ganz und gar verrückt. Sie mussten mit Gewalt seinen Kahn hinter ihrem anbinden. Und als sie so ans Ufer kamen, war er so aufgeregt, dass sie ihn aus dem Kahn holen mussten, er konnte nicht mehr stehen.Er ist in seinem Leben nie wieder auf das Wasser hinausgefahren. Das seien Irrlichter gewesen, sagte er, die hätten ihn immer wieder zurückgeschmissen, da hätte er nichts gegen machen können. Das ist erst vor ein paar Jahren passiert.

(Damsdorf)

41 Holunder - Blick in die Anderswelt

Der Holunderbusch hat seit jeher eine besondere Bedeutung in verschiedenen Sagen und Mythen. In der germanischen und keltischen Mythologie wird der Holunder oft als Tor zur Anderswelt angesehen, durch das Wesen wie Zwerge, Kobolde und sogar Seelen von Verstorbenen zwischen den Welten reisen können. Der Holunder wird mit Schutz und Magie in Verbindung gebracht. In einigen Sagen wird der Holunder sogar als Wohnort von Hexen oder anderen übernatürlichen Wesen beschrieben, die ihre Kräfte nutzen, um die Menschen zu beeinflussen. Opfergaben an den Holunder wurden oft als Zeichen des Respekts gegenüber den Geistern der Natur und der Anderswelt angesehen. Insgesamt ist der Holunder in vielen Sagen ein Symbol für Mysterium, Schutz und die Verbindung zwischen der physischen und spirituellen Welt.

42 - 43 Ich will noch nicht weg - Aufbruch

In ca. 30 Gehminuten in nördlicher Richtung von hier befindet sich der Bordesholmer Brautberg.
Der Brautberg ist ein in der Jungsteinzeit (ca. 3500 v. Chr.) und nachfolgenden Bronzezeit (ca. 1700 v. Chr. ) errichteter Grabhügel. Er verdankt seinen Namen einem weit verbreiteten Volksbrauch:
Bevor die Braut in die Familie des Mannes aufgenommen wurde, umrundete sie einen Grabhügel, um sich von ihren Ahnen zu verabschieden.
Ich habe mich in meinen Werken damit beschäftigt, wie es wohl den jungen Frauen beim Abschied von ihren Ahnen und ihrer eigenen Familie ergangen sein mochte. Wenn ihr zukünftiger Mann und die neue Familie weiter weg wohnten, war es für sie ja oftmals ein Abschied für immer.
 

44 Der Schlangenkönig

Einst fanden Mädchen auf dem Felde einen Knäuel von vierzehn oder fünfzehn Schlangen, die alle durcheinander zischten; eine aber trug eine goldene Krone. Da band ein Mädchen ihre weiße Schürze ab und legte sie neben den Knäuel auf den Boden. Alsbald kam die größte von den Schlangen, welche der Schlangenkönig war, und legte seine Krone auf die Schürze; die war von lauterm Golde mit vielen grünen Edelsteinen. Nun sprang das Mädchen schnell hinzu und raffte die Krone an sich. Als das aber der Schlangenkönig sah, schrie er so entsetzlich, daß das Mädchen davon ganz taub ward. Die Krone verkaufte sie hernach für vieles Geld.

45 König Finn macht Hochzeit

In einem Hügel, der auf Friesisch Reisehog heißt und mitten auf der Heide nördlich von Braderup auf Sylt liegt, wohnte Finn, der König der Unterirdischen. Eines Tages hörte er, dass ein Braderuper Mädchen, das schwer arbeiten musste, zu einem andern Mädchen sagte: „Wenn man es doch auch so gut wie die Unterirdischen hätte! Sie sind stets fröhlich und arbeiten nicht mehr, als sie mögen.“ Finn trat zu ihr und fragte sie, ob sie das ernstlich gemeint habe. Sie antwortete, sie meine es so, wie sie es gesagt habe. Da hielt der Zwergenkönig um ihre Hand an; sie willigte ein, ging mit ihm in den Hügel, und am folgenden Abend machten sie Hochzeit. Alle Zwerge der Norderheide und Morsumheide waren geladen und erschienen geputzt und vergnügt, jeder mit einer Brautgabe. Der eine brachte einen Topf voll Beeren oder ein Schälchen mit Muscheln, der andere einen Fingerhut oder einen Napf mit Milch oder Honig. Der dritte schenkte eine Mausefalle oder ein Fischnetz, der vierte einen Besen oder Haarkamm. Der fünfte spendete einen hölzernen Löffel oder einen Schleifstein, der sechste ein Taschentuch oder Bettlaken, der siebente einen krummen Nagel oder einen Türschlüssel! Es wurde gewaltig aufgetischt. Heringsmilch und Rogen, geröstete Sandspierlinge, gesalzene Eier, Iltisbraten und Austern mit Moosbeeren. Dazu gab es Met vollauf zu trinken. König Finn saß auf seinem Throne, dem großen Sesselstein; er hatte einen Mantel von weißen Mausefellen um seine Schultern und trug eine Krone aus Edelsteinen auf seinem Haupt, die wie ein Seeigel geformt war. Ihm zur Seite saß sie junge Frau, die nun Königin war. Ihr Kleid war fein und durchsichtig. Sie trug auf dem Kopfe einen Kranz der schönsten Heideblumen, in dem Diamanten und andere Steine glänzten. An jedem Finger aber trug sie einen Goldring. Die Zwerge tanzten und sangen die ganze Nacht.

46 Segeberg und die Unterirdischen

Man sagt sich noch heute, der Segeberg, den der Düwel aus dem See geholt hat, sollte nicht nur die Kirche erschlagen haben, sondern eine Höhle verbergen.
Die Unterirdischen gruben sich durch den Kalkberg wieder frei, denn der Höhlenweg reichte zur Zeiten des Doggerlandes bis nach Helgoland und war auch ein Schmugglerweg.
Eine Helgoländer Saga beschreibt noch, wie das Donnergrollen der Helgoländer Nordsee-Brandung bis in den Segeberg zu hören war.Die Unterirdischen gruben sich vom Kalkberg bis zum Kalkberg, von Segeberg über Latendorf, zum Boostedter Kalkberg, nach Aukrug bis hin nach Helgoland.
Der Name Latendorf entstand durch den Kalkabbau/Bergbau, es verweisen noch viele Orte mit Straßennamen wie Kalkberg und Klint auf Bergbau der Steinzeit und die uralten Höhlenwege der Unterirdischen. Irgendwann fielen Teile des Höhlen-Tunnels aber zusammen und die Unterirdischen wurden nicht mehr gesehen.

47 Die Moskowiter in Bordesholm (1700)

Die Kirche in Bordesholm hieß vor Zeiten nur die reiche. Sie bewahrte an einem geheimen Orte so viele Reichthümer, dass man noch eine solche Kirche dafür hätte bauen können. Als nun die Moskowiter ins Land kamen, hörten sie von den Schätzen und durchstöberten alle Ecken, Winkel und Kammern, aber ihr Bemühen, den Schatz zu finden, war vergeblich. Unmutig und verdrossen zogen sie endlich ab, doch ihre Gedanken blieben noch bei der Kirche. Als sie nach dem Dorfe Eiderstede kamen, sahen sie noch einmal nach Bordesholm zurück, und einer der Räuber entdeckte jetzt durch ein Fernrohr das kleine Fenster, das noch an der östlichen Seite der Kirche zu sehen ist. Das hatten sie früher nicht bemerkt und das Verlangen nach dem Schatze brachte sie auf den Gedanken, noch einmal nachzusehen. Zum Schrecken der Bordesholmer, die sich schon sicher geglaubt hatten, kehrten sie also zurück und fanden diesmal, was sie suchten. Seit der Zeit heißt die Kirche nicht mehr die reiche.

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